Mittwoch, 21. Juli 2010

work project (II – Beta-Zerfall)

Nun zu dem letzten der drei wichtigen radioaktiven Zerfälle: dem Beta-Zerfall. Man unterscheidet hier noch genauer zwischen dem ß-- und ß+-Zerfall, die allerdings nach den gleichen physikalischen Prinzipien funktionieren. Aus Gründen, die später noch klar werden, beobachtet man den ß--Zerfall bei instabilen Atomkernen, die besonders neutronenreich sind, und umgekehrt den ß+-Zerfall bei Atomkernen, die besonders protonenreich sind.
Doch was geschieht nurn eigentlich beim ß--Zerfall? Im Atomkern wandelt sich ein Neutron in ein Proton um und dabei wird unter anderem ein Elektron (das „Beta-Teilchen“) erzeugt, das mit hoher Energie den Kern verlässt (der Tochterkern hat somit ein Proton mehr und ein Neutron weniger als der Mutterkern - daher tritt dieser Zerfall bei Kernen auf, die einen Neutronenüberschuss besitzen). Bei den ersten Modellen, die den Beta-Zerfall erklären sollten, wurde noch fälschlicherweise angenommen, Elektronen wären Bestandteil des Atomkerns – heute jedoch kann der Beta-Zerfall mit der schwachen Wechselwirkung, einer der vier Grundkräfte der Physik, erklärt werden. Doch nicht nur die Präsenz der Elektronen beim Beta-Zerfall verwirrte die Physiker von damals. Misst man die Energie der abgestrahlten Elektronen, so stellt man fest, dass es sich um ein kontinuierliches Spektrum handelt, das heißt alle Energien bis zu einem bestimmten Maximalwert (der von dem jeweiligen radioaktiven Element abhängt) sind möglich und treten auf. Das würde aber eine Verletzung eines der wichtigsten Gesetze der Physik bedeuten: Der Energie- und Impulserhaltung.
Wenn ein Mutterkern in einen Tochterkern und nur ein abgestrahltes Teilchen zerfällt („Zwei-Körper-Zerfall“), so kann das abgestrahlte Teilchen nur diskrete Energieniveaus annehmen (denn Impuls und Energie des Endzustandes müssen mit dem des Anfangszustandes übereinstimmen. Dies beobachtet man zum Beispiel beim Alpha-Zerfall. Das Energiespektrum der Elektronen beim Beta-Zerfall widerspricht dieser Tatsache – und man verbrachte einige Jahre damit, das Problem zu lösen. Um die Energie-Impulserhaltung zu retten, postulierte Wolfgang Pauli zu beginn der 1930er Jahre, dass es ein Teilchen geben müsse, was zusätzlich beim Beta-Zerfall entsteht, aber nicht beobachtet werden kann. Aus dem Zwei-Körper-Zerfall würde somit ein Mehr-Körper-Zerfall und ein kontinuierliches Spektrum der Elektronen würde erklärbar. Unterstützung erhielt er von Enrico Fermi, der eine Theorie des Beta-Zerfalls mit eben diesen postulierten Teilchen formulierte – und dabei prägte er den bis heute gültigen Namen „Neutrinos“ („kleines Neutron“).
Dieser Name spiegelt die grundlegenden Eigenschaften der Neutrinos gut wieder: Sie sind elektrisch neutral, haben (fast) keine Masse und wechselwirken daher nur äußerst selten mit Materie – so selten, dass in jeder Sekunde mehr als 65 Milliarden Neutrinos durch jeden Quadratzentimeter unseres Körpers fliegen, ohne, dass wir es merken. Das macht sie für die Physik auch so schwer greifbar: Von den bekannten Wechselwirkungen unterliegt das Neutrino nur der sogenannten schwachen Wechselwirkung (und der Gravitation, die aber aufgrund der verschwindet geringen Masse keine Rolle spielt), sodass es keine Möglichkeit gibt, Neutrinos direkt zu beobachten.
Deswegen dauerte es auch bis 1956, bis die Existenz von Neutrinos durch eine Kollaboration  (um Clyde Cowan und Frederick Reines) und ein ausgetüfteltes Experiment endlich nachgewiesen werden konnte (Nobelpreis für Physik 1995). Doch damit waren bei weitem nicht alle Rätsel gelöst, sondern die Neutrinos fingen an, den Physikern immer mehr Kopfzerbrechen zu bereiten...

Keine Kommentare: